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NZ

Freitag, 9. Juli 1999
Sehenswert: Absolventen der Nürnberger Kunstakademie stellen aus


Zwischen Malfreude und Marketing

Bilder und Skulpturen dominieren - Auszeichnung für das Organisationsteam

Raus aus dem Elfenbeinturm, rein ins Leben als freie Künstler: 50 Absolventen der Nürnberger Akademie machen jetzt diesen Schritt. Von der Malerei, Bildhauerei oder Zeichnerei kann aber keiner der jungen Kreativen leben. "Man muß seinen Unterhalt irgendwie verdienen und die Kunst als Luxus sehen", sagt Absolventin Christa Lösel. Vielfältig sind die Jobs, die sie annehmen: Dagmar Stollberg gibt Tanzunterricht, Verena Manz arbeitet im Krankenhaus, Doris Marten verdingt sich als Statistin am Theater Nebenbei versuchen sie sich auf dem Kunstmarkt zu etablieren und in der Szene zu behaupten. Von der Akademie verabschiedet sich der Jahrgang jetzt mit einer sehenswerten Ausstellung im Businesspark Nürbanum.
" Warenzeichen" ist die Präsentation überschrieben, an der sich 35 Abgänger beteiligen. Ihr Thema ist die Situation der Absolventen - zwischen Kunst und Kommerz, Malleidenschaft und Marketing. Darum drehen sich zahlreiche Veranstaltungen und Vorträge im Rahmenprogramm. Die gezeigte Kunst aber läßt sich ohne theoretischen Überbau genießen. Das liegt hauptsächlich daran, daß in dieser Ausstellung die (gegenständliche) Malerei dominiert. Es gibt kaum Installationen, keine Videoarbeiten, wenige Arbeiten mit neuen Medien, dafür aber viele Wandbilder und Skulpturen. Ob das wohl auch mit der besseren Verkaufbarkeit solcher Kunst zu tun hat?
Zähneputzend begrüßt die nackte Schöne aus Polyester von Volker Schildmann die Besucher, flankiert von Christian Bühners "Ballerina" aus Bronze. Im kleinsten der drei Ausstellungsräume hat Christoph Finkel sein witziges Holzfiguren-Kabinett aufgebaut. Auch das Spektrum der gezeigten Malerei ist äußerst vielfältig: Porträts von Stefan Nützel, Stilleben ("Das karge Mahl I-V") von Claudia Borchert, farbenfrohe Riesenleinwände von Verena Manz, Stadtlandschaften ("Potsdamer Platz") von Annette Fritze. Doris Marten hat Plexiglas bemalt, Sonja Weber Textilbilder gewebt,Bernd Klausecker ist mit seinen gemalten Karo-Tüchern und Emailleobjekten vertreten.
Nützlich können für den Besucher vor allem die Vertreter der Servicekunst, Maria Constanza und Linares Lopez werden. Ihr Motto: "Das Leben ist hart genug, lassen Sie uns ihre Schuhe putzen!" Auch Christa Wilhelmine Lösel hat Nützliches im Angebot: Ein kleines rotes Stoffhäuschen zum Ausruhen, ausgelegt mit dicken, weichen Kissen. Bereits seit längerem verwandelt sich Lösel regelmäßig in die Kunstfigur "Schneiderin Wilhelmine". Mit ihrer Nähmaschine geht sie an ungewöhnliche Orte und schneidert dort grundsätzlich mit rotem Stoff. "Es geht mir darum, einen neuen Arbeitsbegriff zu diskutieren. Arbeit muß mit dem Menschen zu tun haben", sagt sie. Demnächst will Wilhelmine auch im Nürnberger Rathaus, im Arbeitsamt und an hiesigen Schulen nähen, denn sie hat ein staatliches Stipendium bekommen, daß ihr erlaubt, ein Jahr lang nur Wilhelmine zu sein: "Ich werde die Stadtschneiderin Nürnbergs und möchte ausprobieren, ob die Stadt in der Lage ist, so etwas Sperriges mitzutragen."
Pirko Schröder, die letztes Jahr den Kunstpreis Ökologie gewann, treibt wieder ihr Spiel mit dem Besucher. Diesmal klebt sie keine täuschend echt aussehenden Steckdosen, Türklinken oder Kellerfenster auf die Wand, sondern foppt den Besucher mit gemalten Kleiderhaken und Feuerlöschern. Nicht verpassen sollte man einen Blick in Stefan Zaglers Guckkästen: Im Linken lauert die Sünde, im rechten die Geistlichkeit.
Manche der gezeigten Arbeiten hätten den diesjährigen Absolventenpreis (eine Ausstellung in der Albrecht Dürer Gesellschaft samt Katalog) verdient, bekommen hat ihn keine. Statt dessen wurde das siebenköpfige Organisationsteam für die Konzeption und Präsentation des Projektes ausgezeichnet. Eine ungewöhnliche Entscheidung, denn man sollte doch meinen, daß der Absolventenpreis einer Kunstakademie für Künstler und nicht für Kuratoren bestimmt ist.

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