Raus aus dem Elfenbeinturm, rein ins Leben
als freie Künstler: 50 Absolventen der Nürnberger Akademie
machen jetzt diesen Schritt. Von der Malerei, Bildhauerei oder
Zeichnerei kann aber keiner der jungen Kreativen leben. "Man
muß seinen Unterhalt irgendwie verdienen und die Kunst als
Luxus sehen", sagt Absolventin Christa Lösel. Vielfältig
sind die Jobs, die sie annehmen: Dagmar Stollberg gibt Tanzunterricht,
Verena Manz arbeitet im Krankenhaus, Doris Marten verdingt sich
als Statistin am Theater Nebenbei versuchen sie sich auf dem Kunstmarkt
zu etablieren und in der Szene zu behaupten. Von der Akademie
verabschiedet sich der Jahrgang jetzt mit einer sehenswerten Ausstellung
im Businesspark Nürbanum.
" Warenzeichen" ist die Präsentation überschrieben, an der sich 35 Abgänger beteiligen. Ihr Thema ist die Situation der Absolventen - zwischen Kunst und Kommerz, Malleidenschaft und Marketing. Darum drehen sich zahlreiche Veranstaltungen und Vorträge im Rahmenprogramm. Die gezeigte Kunst aber läßt sich ohne theoretischen Überbau genießen. Das liegt hauptsächlich daran, daß in dieser Ausstellung die (gegenständliche) Malerei dominiert. Es gibt kaum Installationen, keine Videoarbeiten, wenige Arbeiten mit neuen Medien, dafür aber viele Wandbilder und Skulpturen. Ob das wohl auch mit der besseren Verkaufbarkeit solcher Kunst zu tun hat?
Zähneputzend begrüßt die nackte Schöne aus
Polyester von Volker Schildmann die Besucher, flankiert von Christian
Bühners "Ballerina" aus Bronze. Im kleinsten der
drei Ausstellungsräume hat Christoph Finkel sein witziges
Holzfiguren-Kabinett aufgebaut. Auch das Spektrum der gezeigten
Malerei ist äußerst vielfältig: Porträts
von Stefan Nützel, Stilleben ("Das karge Mahl I-V")
von Claudia Borchert, farbenfrohe Riesenleinwände von Verena
Manz, Stadtlandschaften ("Potsdamer Platz") von Annette
Fritze. Doris Marten hat Plexiglas bemalt, Sonja Weber Textilbilder
gewebt,Bernd Klausecker ist mit seinen
gemalten Karo-Tüchern und Emailleobjekten vertreten.
Nützlich können für den Besucher vor allem die
Vertreter der Servicekunst, Maria Constanza und Linares Lopez
werden. Ihr Motto: "Das Leben ist hart genug, lassen Sie
uns ihre Schuhe putzen!" Auch Christa Wilhelmine Lösel
hat Nützliches im Angebot: Ein kleines rotes Stoffhäuschen
zum Ausruhen, ausgelegt mit dicken, weichen Kissen. Bereits seit
längerem verwandelt sich Lösel regelmäßig
in die Kunstfigur "Schneiderin Wilhelmine". Mit ihrer
Nähmaschine geht sie an ungewöhnliche Orte und schneidert
dort grundsätzlich mit rotem Stoff. "Es geht mir darum,
einen neuen Arbeitsbegriff zu diskutieren. Arbeit muß mit
dem Menschen zu tun haben", sagt sie. Demnächst will
Wilhelmine auch im Nürnberger Rathaus, im Arbeitsamt und
an hiesigen Schulen nähen, denn sie hat ein staatliches Stipendium
bekommen, daß ihr erlaubt, ein Jahr lang nur Wilhelmine
zu sein: "Ich werde die Stadtschneiderin Nürnbergs und
möchte ausprobieren, ob die Stadt in der Lage ist, so etwas
Sperriges mitzutragen."
Pirko Schröder, die letztes Jahr den Kunstpreis Ökologie gewann, treibt wieder ihr Spiel mit dem Besucher. Diesmal klebt sie keine täuschend echt aussehenden Steckdosen, Türklinken oder Kellerfenster auf die Wand, sondern foppt den Besucher mit gemalten Kleiderhaken und Feuerlöschern. Nicht verpassen sollte man einen Blick in Stefan Zaglers Guckkästen: Im Linken lauert die Sünde, im rechten die Geistlichkeit.
Manche der gezeigten Arbeiten hätten
den diesjährigen Absolventenpreis (eine Ausstellung in der
Albrecht Dürer Gesellschaft samt Katalog) verdient,
bekommen hat ihn keine. Statt dessen wurde das siebenköpfige
Organisationsteam für die Konzeption und Präsentation
des Projektes ausgezeichnet. Eine ungewöhnliche Entscheidung,
denn man sollte doch meinen, daß
der Absolventenpreis einer Kunstakademie für Künstler
und nicht für Kuratoren bestimmt ist.
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