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AZ

Freitag, 9.Juli 1999
Kloß-Teller auf Bestellung

"warenzeichen" in der Löwengrube:
Bei der Absolventenausstellung der Kunstakademie im Nürbanum
sehen sich 35 Künstler als Produkt der Leistungsgesellschaft
und vermarkten sich selbst


Alles eine Frage des Standpunkts: Früher verabschiedeten sich die Absolventen der Nürnberger Kunstakademie noch mit einem erlösenden "Raus" samt selbstgebastelter Ausstellung in den Gängen vom Schmausenbuck, jetzt beginnt man lieber gleich "draußen" in freier Wildbahn, in den Klauen der Dienstleistungsgesellschaft: "warenzeichen" heißt die diesjährige Absolventenausstellung im Nürbanum-Areal, der ehemaligen Industriebrache mit künftigem Kleinstadtappeal. Und wenn Reiner Hofmann, einer der 35 beteiligten Jungkünstler, die Fassade mit kommunizierenden Plastikröhren abhängt, könnte das ein buntes Symbol für ein gewandeltes Berufsbild sein, daß sich dahinter präsentiert.
Die einen bieten eine "Schuhputz-Aktion mit Designer-Kundenstuhl" (Das Leben ist hart genug, lassen Sie uns Ihre Schuhe putzen!) und nennen das -hörthört- "eine multiple Plastik", der andere bietet die Ausführung von Auftragskunst an. Matthias Klos heißt er ("der künstlerisch fühlende Kurator"), hat zehn frühere Absolventen angeschrieben und deren Wunsch nach einem "Klos-Center" mit einem Teller Knödel erfüllt. Bernd Klausecker schließlich stellt klar, daß er seine Bilder immer "ohne Titel" nennt und dies als Warenzeichen beim Patentamt eintragen lassen möchte.
Kunst kommt längst nicht mehr nur von Können, sondern auch von Vermarkten. Das sah auch die Jury so, die den Absolventenpreis (Ausstellung in der Albrecht-Dürer-Gesellschaft, Katalog, gestiftet von der Galerie Defet) nicht einem , Künstler, sondern dem Organisationsteam zusprach. Einem "Strukturgeber", dem laut Christa Lösel, der nähenden "Wilhelmine", klar ist, daß man auch im Nürbanum "Teil einer Marketingsituation" ist: "Das ist der realistische Blick auf die Lage in einem ganz harten Markt."
Insofern hat der Grützke-Schüler Stefan Nützel, der zur Eröffnung eine Brandrede über "Kaisers neue Kleider" halten wollte, aber nicht durfte, (s. AZ von gestern) schon recht. Auch wenn seine Vorwürfe der allgemeinen stilistischen Verwirrung gerade bei dieser Ausstellung etwas ins Leere laufen: So viele gegenständliche Maler und Bildhauer sieht man nicht mehr oft: Christoph Finkels Figurenparade, Berthold Krauß' Fabulier-Landschaften nach Roger Libesch-Art, Volker Schildmanns Nackte beim Zähneputzen. Daneben beim Abgang der Abgänger originelle Dolomiten-Diaramen und Stefan Zaglers Peepshow-Betkreis, Brigitte Liebels Lochkamera-Hosen und Sonja Webers Web-Bilder.
Die Wundertüten-Ausstellung stellt auch den fließenden Übergang zur vorangegangenen Kreis-ldee her. Wolfgang May zeigt Fotos von der Arbeit, die vorher dort hing. Bernd Klauseckers verblüffende Imitate von Emaille-Ausgüßen finden sich noch an derselben Stelle (jetzt ergänzt durch nicht minder verblüffende Handtuch-Augentäuschungen). Pirko Schröder hat jetzt Feuerlöscher und Wandhaken hineingeschmuggelt und Bildhauer Christian Rösner hat seinen kolossalen Krokodil-Mann gegen einen Löwenkämpfer ausgetauscht. Der Künstler in der Löwengrube.
Da liegt der Ansatz von Stefan Krüskemper nahe. Der hat in einem Gang eine Kapelle aus Plexiglas mit Kreuz davor aufgebaut. Der Nürnberger Pfarrer Bernd Kampf hält darin Gottesdienste (etwa Sonntag, 8 Uhr). Und wer will kann auch zu einer "Internet Meditation" ,surfen. Manchmal. hilft eben nur noch beten.
Andreas Radlmaier